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Alicia Godel: Garamond in einem Raster

Abb. 1: Hell-Digiset. Quelle: https://www.aepm.eu/publications/occasional-papers/the-life-and-extraordinary-achievements-of-one-dr-ing-rudolf-hell/
Abb. 1: Hell-Digiset. Quelle: https://www.aepm.eu/publications/occasional-papers/the-life-and-extraordinary-achievements-of-one-dr-ing-rudolf-hell/

Die schnelle technologische Entwicklung ab der Mitte der 1960er Jahre stellte die Schriftgestalter*innen vor einige Herausforderungen. Das Anpassen von Schriften an die brandneuen digitalen Systeme funktionierte nicht besonders gut. Es führte zu Unregelmäßigkeiten in den Formen der Glyphen, was oft als unleserlich empfunden wurde. Heute können solche Formen allerdings einen neuen Charme entwickeln.

Eine der größten Herausforderungen war die Entwicklung von Schriftsystemen, die von Computern als solche erkannt werden konnten, was zu neuen Technologien wie OCR-Schriften führte. In jedem Fall bedeutete digitales Schriftsetzen schon damals, dass Glyphen nur dort existierten, wo sie erzeugt werden konnten, und dass mit dem vorgegebenen Raster des Ausgabegeräts gearbeitet werden musste.

Abb. 3: Ausschnitt aus: Wim Crouwels «New Alphabet» specimen von 1967, Alicia Godel, ZHdK, 2023
Abb. 3: Ausschnitt aus: Wim Crouwels «New Alphabet» specimen von 1967, Alicia Godel, ZHdK, 2023

In den Anfängen des digitalen Schriftsatzes wurden Schriften innerhalb der von den Maschinen vorgegebenen technischen Grenzen entworfen. Ein Beispiel dafür ist Demos von Gerard Unger. Die Zeitspanne, in der Schriften nach diesem Prinzip gestaltet wurden, war allerdings nicht lang. Bereits nach wenigen Jahren hatten sich die technischen Möglichkeiten rasant verbessert.

Der niederländische Designer Wim Crouwel experimentierte mit Typografie und versuchte, eine direkte Antwort auf die Herausforderungen zu finden. In einem Interview erzählt er, wie er 1964 oder 65 mit seinem Vater die Druck- und Papiermesse in Düsseldorf besuchte. Dort sah er die Digiset Satzmaschine der Firma Hell aus Kiel, die als erste mit der damals völlig neuen Kathodenstrahltechnik arbeitete. Hell zeigte bereits einige digitale Schriften auf der Digiset, und eine davon war Garamond. Besonders bei kleineren Schriftgrößen konnte man sehen, wie die Punkte in der Matrix angeordnet waren. Zum Beispiel konnten bei einer Schriftgröße von 6pt nur etwa fünf oder sechs Punkte verwendet werden, um eine Kurve zu zeichnen. Erst bei zunehmender Schriftgrösse mit mehr Punkten wurden die Kurven präziser. Wim Crouwel empfand dieses System als ineffizient und entwarf eine Schrift, die besser innerhalb des vorgegebenen Rastersystems funktionierte: New Alphabet (1967).

Abb. 2: Wim Crouwels «New Alphabet» specimen von 1967. Quelle: https://www.thefoundrytypes.com/fonts/new-alphabet/
Abb. 2: Wim Crouwels «New Alphabet» specimen von 1967. Quelle: https://www.thefoundrytypes.com/fonts/new-alphabet/

Rückblickend erinnert Crowel sich, dass er damals annahm, wir würden die nächsten 20 Jahre mit diesen Maschinen arbeiten. Deshalb entwarf er eine Schrift, die genau in dieses System passte. In Zusammenarbeit mit Pieter Brattinga, dem Inhaber einer Druckerei, entstand das Specimen zum New Alphabet. Brattinga war auch der Herausgeber der quadratischen Zeitschrift «Kwadraatbladen», in der New Alphabet veröffentlicht wurde. Die Schrift wurde von Wim Crouwels Vater von Hand zusammengeklebt, da eine digitale Ausgabe noch nicht möglich war. Außerdem wurde das Foto eines Astronauten verwendet, weil zu dieser Zeit der erste Astronaut ins All flog. Dadurch suchten Crouwel und Brattinga dem Specimen eine futuristische Atmosphäre zu verleihen.

Die von mir entworfene Schrift WIM greift das von Wim Crouwel verworfene Garamond a auf, welches auf der Digiset Maschine generiert wurde. Ausgehend von seinem neuen a entwarf Crouwel die restlichen Glyphen auf dem gleichen, extrem vereinfachten Raster. Dabei wurde immer die bestmögliche Anordnung für die wenigen Punkte gewählt. Die Schrift WIM hingegen verwendet jene Unregelmässigkeiten der von Hell gerasterten Garamond, die Wim Crouwel 1964 zum Anlass für eine neue Art der Schriftgestaltung nehm, als Charakteristikum für ein «Old Alphabet».

Abb. 4: WIM, Alicia Godel, Modul Type Design, ZHdK, 2023
Abb. 4: WIM, Alicia Godel, Modul Type Design, ZHdK, 2023

Verwendete Literatur:

Tony Brook und Wim Crouwel. «Wim Crouwel A Graphic Odyssey» (2010), http://www.neugraphic.com/wim/crouwel-text1.html [zuletzt aufgerufen am 26. Mai 2024]

Robin Kinross. «The digital wave» (1992), https://www.eyemagazine.com/feature/article/the-digital-wave [zuletzt aufgerufen am 26. Mai 2024]

Sarah Owens. «Electrifying the alphabet» (2006), https://www.eyemagazine.com/feature/article/electrifying-the-alphabet [zuletzt aufgerufen am 26. Mai 2024]